19. Dezember 2011
Meiningen. Am zweiten Tag des Mary-Jane-Prozesses hat die Mutter der getöteten Siebenjährigen die Aussage des geständigen Angeklagten in bestimmten Punkten bezweifelt. Vor dem Landgericht Meiningen sagte sie, ihr Kind sei gegenüber Fremden schüchtern gewesen, habe Tino L. aber gekannt.
Die Mutter glaubt nicht, dass Mary-Jane freiwillig mit ihm gegangen sei. Zwei Gerichtsmedizinerinnen berichteten, dass das Mädchen aus dem südthüringischen Zella-Mehlis keine Verletzungen im Intimbereich hatte. Gleichwohl seien dort aber Spuren des Angeklagten nachgewiesen worden.
Der angeklagte 38-jährige Tino L. hatte zum Prozessauftakt am Freitag den sexuellen Missbrauch sowie die Tötung des Kindes eingeräumt. Dem Mann werden Mord und schwerer sexueller Missbrauch des ihm bekannten Kindes zur Last gelegt.
Nach Angaben der Mutter kannte Mary-Jane ihn, weil er zwei- oder dreimal bei ihnen zu Hause gewesen sei. Ein ehemaliger Zellengenosse von Tino L. habe bis Januar etwa drei bis vier Monate bei der Familie gewohnt. Tino L. sei ihr von Beginn an unsympathisch gewesen. Er habe einen "unfreundlichen Blick" gehabt.
Weiter sagte sie, dass ihre Tochter den Tatort von gemeinsamen Wanderungen kannte. Demnach seien sie zusammen mit Freunden öfter auf der Waldwiese "Hosenlatz" gewesen. "Sie wusste, dass dort in der Gegend kein Haus steht", sagte die 29-Jährige. Auch hätten dort nie Kühe geweidet.
Damit widersprach sie der Aussage des Angeklagten. Dieser hatte am Freitag erklärt, dass Mary-Jane mit ihm in den frühen Morgenstunden ohne Zögern den 1,6 Kilometer langen Fußweg zurückgelegt habe, um einen Bekannten aufzusuchen. "Ich bin der Meinung, dass die Aussage des Angeklagten nicht mit dem übereinstimmt, was wirklich abgelaufen ist", sagte sie. Zudem hatte Tino L. gesagt, das Kind gewürgt zu haben, als es Kühe beobachtete.
Nach Ansicht der Mutter muss der 38-Jährige das Mädchen getragen haben. Zudem zweifelte sie daran, dass alles so freiwillig abgelaufen sei, wie er es angegeben hatte.
Ein Kriminalhauptkommissar aus Suhl sagte vor Gericht, er sei über die Gefühlskälte des Angeklagten erschrocken gewesen. In seiner 39-jährigen Arbeit als Kriminalist habe er "noch nie so eine Tat mit dieser Brutalität und so viel krimineller Energie erlebt". Noch heute falle es ihm schwer, darüber zu reden.
Weiter sagte er, dass Tino L., der über einen DNA-Test ermittelt worden war, anfangs die Tat vehement bestritten habe. Erst nachdem ihm Einblick in die Ermittlungsakten gewährt worden und Rücksprache mit dem Anwalt erfolgt sei, habe er ein Geständnis abgelegt.
Der Prozess soll am Mittwoch mit den Plädoyers und dem Urteil fortgesetzt werden.
DAP